
ProvenienzforschungKunst und Kultur und ihre Herkunft
Seit April 2021 ist Frau Malena Alderete als Provenienzforscherin am Landesmuseum Württemberg tätig. Finanziert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, bearbeitet sie zwei aktuelle Fälle und untersucht die kunstgewerblichen Objekte, die im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sammlung kamen. Die Ergebnisse der Recherchen werden auf dieser Seite und in unserem Blog publiziert.
Mission Statement
Provenienzforschung bezogen auf NS-Raubgut und auf in kolonialem Unrechtskontext erworbene Objekte
Das Landesmuseum Württemberg ist sich als kulturhistorisches Museum seiner historischen Verantwortung bewusst und stellt sich daher auch den problematischen Aspekten seiner Vergangenheit. So befördern wir seit 2009 die Provenienzforschung, die sich insbesondere mit dem NS-verfolgungsbedingten Entzug von Objekten während der Jahre 1933 bis 1945 befasst. Als Ergebnis dieser Recherchen konnten wir bereits mehrere Kunstwerke aus unseren Sammlungen restituieren. Alle Objekte, die verfolgungsbedingt entzogen wurden und bei denen die ursprünglichen Eigentümer bislang nicht ermittelt werden konnten, sind in der Datenbank Lost Art veröffentlicht.
Wir befassen uns auch mit Fragen nach dem kolonialen Kontext von Objekten in unserem Haus. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema betrachten wir als einen wichtigen Teil unserer Museumsarbeit und stehen im zunehmend engen Austausch mit externen Expert*innen, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg sowie anderen Museen. Unser Ziel ist es, bei Objekten aus kolonialen Kontexten deren Geschichte und insbesondere die Erwerbsumstände zu rekonstruieren und zu dokumentieren.
Ihre Ansprechpartner*inProvenienzforschung

Dr. Matthias Ohm
Leitung Fachabteilung
Kunst- und Kulturgeschichte
Tel: 0711 89 535 215
matthias.ohm@
landesmuseum-stuttgart.de

Dr. Astrid Fendt
Leitung Fachabteilung
Archäologie
Tel: 0711 89 535 205
astrid.fendt@
landesmuseum-stuttgart.de

Malena Alderete M. A.
Provenienzforschung
Tel: 0711 89 535 228
malena.alderete@
landesmuseum-stuttgart.de
Sie wünschen sich detaillierte Informationen oder haben Fragen zur Provenienzforschung? Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung.
GeklärteFälle
Verfolgungsbedingt entzogene Objekte in den Sammlungen des Landesmuseums Württemberg. Diese Veröffentlichung wird gegebenenfalls ergänzt.
Hier finden Sie die Fundmeldungen des Landesmuseums Württemberg in der Datenbank Lost Art.
Renaissanceuhren
Die beiden Renaissanceuhren stammen ursprünglich aus der Sammlung von Eugen Gutmann, dem Gründer der Dresdner Bank. Eugen Gutmann (1840 bis 1925) war ein bedeutender Kunstsammler. Im Laufe seines Lebens erwarb er eine Sammlung vorwiegend deutscher Gold- und Silberschmiedearbeiten der Renaissance. Nach dem Tod Eugen Gutmanns verblieb die Sammlung im Besitz der Familie; sie wurde von seinem Sohn Fritz Gutmann treuhänderisch verwaltet. Fritz Gutmann (1886 bis 1944) lebte seit 1919 in Heemstede, Niederlande. Dort befand sich auch die Sammlung Eugen Gutmann bis 1942.
Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Holland im Sommer 1940 wurde Fritz Gutmann wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt und war gezwungen, seine Sammlung zu verkaufen. Ab 1941 bereitete er seine Flucht vor. 1942 übergab er daher seine Sammlung in Kommission den Kunsthändlern Karl Haberstock, Berlin und Julius Böhler, München. Die Sammlung wurde daraufhin nach München gebracht und dort bei Böhler deponiert. Das Ehepaar Gutmann wurde jedoch 1943 deportiert und ein Jahr später ermordet.
Nach Kriegsende wurde der größte Teil der Sammlung Eugen Gutmann an die Erben restituiert. Mehrere Objekte waren allerdings nicht mehr auffindbar. Zwei dieser fehlenden Objekte konnten nun im Landesmuseum Württemberg identifiziert werden. Bei den Uhren handelt es sich um zwei höchst qualitätvolle Tischuhren der Renaissance. Diese wurden im Juli 2012 an die Erben restituiert. Die darauf folgenden Kaufverhandlungen mit Erben des ehemaligen Eigentümers wurden erfolgreich abgeschlossen. Die zurückgekauften Uhren sind weiterhin in der Prunkuhrensammlung des Landesmuseums Württemberg ausgestellt.

Miniaturgruppe
Die Miniaturgruppe befindet sich seit 1996 als Leihgabe im Landesmuseum Württemberg und wurde 2006 dem Museum als Geschenk überlassen. Sie ist Teil der so genannten „Venezianischen Messe“ und daher für die Geschichte der Manufaktur in Ludwigsburg bzw. für die Landesgeschichte von Bedeutung. Auf dem Boden der Porzellangruppe ist ein altes Sammlungsetikett mit dem Aufdruck „Sammlung *H.E.B.“ aufgeklebt, welches das Stück als Teil der Sammlung Henry und Emma Budge in Hamburg ausweist. Henry Budge (1840-1928) und Emma Budge (1852-1937) sammelten vor allem Porzellan, Textilien, Kleinskulpturen sowie Kunstgewerbe des 16.-18. Jhdt.
Nach dem Tod Emma Budges 1937 war ihre Sammlung auf einer Auktion bei Paul Graupe in Berlin am 4.-6.10.1937 versteigert worden, darunter befand sich auch das „Streitende Paar“ aus Ludwigsburg. Bei der Auktion handelte es sich um einen verfolgungsbedingten Verkauf. Das Landesmuseum Württemberg hat eigeninitiativ den Anwalt der Erben nach Emma Budge kontaktiert. Im Februar 2013 konnte diese Gruppe restituiert und für das Landesmuseum zurückerworben werden.

Sieben Kunstwerke, ehemals im Besitz des Kunsthändlers Siegfried Lämmle
Siegfried Lämmle (1863–1953) betrieb seit 1894 er in der München eine Kunst- und Antiquitätenhandlung, zu deren Kunden auch das Landesgewerbemuseum in Stuttgart gehörte. Im Sommer 1935 wurde er wie alle jüdischen Kunsthändler in München gezwungen, sein Geschäft aufzugeben. Lämmle musste daraufhin in den folgenden Jahren sein Warenlager auflösen. Wie Lämmle selbst später schrieb, konnte er die Kunstwerke nur noch "zu Schleuderpreisen" veräußern. Im September 1938 emigrierte er in die USA, wo sein Bruder Carl Lämmle (1867–1939) bereits seit 1884 lebte. Dort hatte dieser 1912 die Universal Picture Studios gegründet, die zum mächtigsten Filmkonzern und damit zum Begründer der Hollywood-Filmindustrie aufstieg. Das Stuttgarter Landesgewerbeamt erwarb in den Jahren 1936 und 1937 sieben kunsthandwerkliche Objekte vom 16. bis 18. Jahrhundert. Mit der Integration der Bestände des Landesgewerbeamts in den Sechziger Jahren gelangten diese Objekte ins Landesmuseum:
- Inschriftentafel für ein Haus, 1595, Marmor. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1936 erworben.
- Römer, Deutsch, Mitte 17. Jhdt. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1936 erworben.
- Becher, um 1750, Jacob Johan Uhl, Silber, mit einer Gedenkmünze. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1936 erworben.
- Kanne aus Bronze, Niederrhein oder Flandern, um 1500, mit späteren Ergänzungen. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1937 erworben.
- Glastiegel, deutsch, 1. Hälfte 17. Jahrhundert. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1937 erworben.
- Flasche, Glas, deutsch (?), Ende 17. Jhdt. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, München, 1937 erworben.
- Krug aus Zinn, Wolf Hentz d.Ä., Salzburg um 1610. Von der Kunst- und Antiquitätenhandlung Siegfried Lämmle, 1937 erworben.
Die sieben Objekte wurden im April 2019 an die Erben restituiert.
Rund um dieSammlungen

Forschungsprojekte
Übersicht über die zahlreichen, aktuellen und abgeschlossenen, Forschungsprojekte am Haus

Sammlung Online
Die Sammlung Online zeigt einen Querschnitt des Objektbestands sowie virtuelle Ausstellungen.

Sammlungskonzept
Eine Hauptaufgabe des Museums ist es, seine Sammlungen zu bewahren, gezielt auszubauen und zu vermitteln.
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